Tausende Jahre lang wurde das Symbol der Medusa dazu benutzt, die Macht der Angst und das Wissen, dass wir - sofern wir uns dieser Angst in einem erleuchteten Geisteszustand – stellen, einen Weg finden sie zu beherrschen, zu symbolisieren.
In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, schien Sigmund Freud einen archaischen Mythos, entschuldigt mein Wortspiel, auf den Kopf zu stellen. Er wandelte diese transformatorischen Motive in etwas weit repressiveres um.
In seinem schwach argumentierten Essay „Das Medusenhaupt“ behauptet Freud, dass die Medusa ein Symbol der Kastration sei. Er sieht die Enthauptung der mythologischen weiblichen Figur als die männliche Antwort auf das erstmalige Erblicken der weiblichen Genitalien und die daraus resultierende Kastrationsangst.
Diese ganz spezielle Sicht wird heute abgelehnt, ganz besonders von feministischen Autoren und Denkern, die zu Recht argumentieren, dass Freud die Medusa auf ein rein bildliches Konstrukt für Männer reduziert hatte, mit keinerlei innerem Zusammenhang oder eigenständiger Rolle.
Offensichtlich finden wir in der Medusa alle Arten an phallischen Symbolen, von Schlangen bis zu ihrer Kraft zu „versteinern“. Das passt natürlich gut zu Freuds Besessenheit mit dem Penisneid. Aber Freud scheint sich seiner eigenen Theorie selber nicht sicher zu sein, weil er im „Medusenhaupt“ schreibt: „Um diese Theorie handfest zu belegen wäre es nötig die Ursprünge dieser isolierten Symbole des Grauens innerhalb der Griechischen Mythologie und parallel dazu in anderen Mythologien zu erforschen.“
Vielleicht wird Freuds Scheitern am besten von Todd Dufresne, Freudianischer Wissenschaftler und Professor der Philosophie an der Lakehead Universität, zusammengefasst. „Es ist die Psychoanalyse selbst, die den Westen mit ihrem Penisneid infiziert hat, mit ödipalen Konflikten, Todessehnsucht und so weiter. Denn diese Ideen finden sich nicht einfach so in der Welt. Sie müssen geschaffen werden.“
Wenn wir zu dem originalen Mythos zurückkehren, dann stellen wir fest, dass die Rolle der Medusa nicht mit ihrer Enthauptung endet. Tatsächlich ist es nur durch ihren Tod, dass Perseus die Geschenke findet, die in der Gorgone verborgen sind.
Das ist es auch, was Freud versäumt hat, mit einzubeziehen und das vielleicht sogar ganz absichtlich übersehen hat um seine Theorie zu stützten und ihr Boden zu verleihen.
Wer also ist diese Medusa?
Und was war ihre ursprüngliche Rolle? Wahrscheinlich sind wir jetzt erstaunt, wenn wir erfahren, dass sie Medusa ziemlich sicher die griechische Version des „Green Man“ ist.
Der „Green Man“ ist eine Naturgottheit, die üblicher Weise mit aus seinem Kopf wachsenden Schlingpflanzen abgebildet wird. Das passt gut mit dem Schlangenhaar der Medusa. Seine erste Inkarnation war die eines Osiris, der mit grüner Haut dargestellt wurde, genauso wie die Medusa und der ein Repräsentation der ersten Erkenntnis.
Logos wurde oft als „das Wort“ fehlinterpretiert, aber eigentlich ist seine wirkliche Bedeutung „Verstand“ oder „Muster“, was es eher mit dem Tao verbindet als mit der anthropomorphisierten christlichen Bedeutung.
Jetzt können wir den griechischen Mythos neu beurteilen und damit beginnen seine wahre Lehre zu verstehen.
An der Oberfläche muss Perseus einen Weg finden, jemand umzubringen, dessen direkter Blick eine Person in Stein verwandeln kann. Sofort bekommen wir einen Hinweis auf die archaische, aber auch sehr gut beobachtete Psychologie, die da in der Geschichte am Werk ist. Was wir gesagt bekommen ist, dass die Angst manchmal am besten durch List überwunden werden kann und eher durch einen unorthodoxen Kniff als durch eine direkte Konfrontation.
Die griechischen Götter können somit als Repräsentanten unseres Geistes angesehen werden. In diesem Kontext wären dann die Geschenke, die Perseus erhält, allegorisch für die psychologische Taktik.
Die Geschenke
Diese Geschenke sind Athenes Schild, ein Mantel der Unsichtbarkeit von Hades, die geflügelten Sandalen von Hermes und ein Schwer von Hephaistos. Im archaischen Symbolismus stellen sie die gleichen Aspekte in der Gnosis dar. Diejenigen Attribute, die der Geist benötigt um eine Angst oder Blockade im spirituellen Fortschreiten zu überwinden.
Mit dem verspiegelten Schild zeigt uns Perseus, dass wir einen neuen Betrachtungswinkel unserer Angst finden müssen. Manchmal ist die frontale Konfrontation sinnlos und wir müssen eine neue Perspektive finden, die uns dann Vorteile bringt, derer wir uns vorher nicht bewusst waren.
Die geflügelten Sandalen repräsentieren die Möglichkeit des lateralen Denkens. Hermes ist der Bote eines höheren Bewusstseins, das die Dinge überblickt. Das erlaubt Perseus zu fliegen und das bedeutet, dass er die ausgetretenen Pfade von früher verlassen kann und die Perspektive von Athenes Schild erweitert.
Das Schwert war in fast jeder Kultur das Symbol der direkten Tat und der Willenskraft. Hephaistos, der das Schwert erschaffen hat, erhält oft den Beinamen „Polumetis“, der „geschickt“ oder „gewitzt“.
Schlussendlich erhält Perseus das Geschenk der Unsichtbarkeit. Interessanter Weise mag das auf den Synkretismus griechisch-buddhistischer Philosophien basieren, die in der hellenistischen Kultur bis ins fünfte Jahrhundert zurückreicht.
In diesem Hinblick ist das Konzept der Unsichtbarkeit direkt verwandt mit den vorherrschenden Orphischen oder Asklepischen Praktiken der sensorischen Deprivation. Der Suchende entzog sich selbst allen Sinneseindrücken um die Kommunikation mit den Göttern oder dem höheren Bewusstsein zu erlangen.
All diese Geschenke stellen alternative Wege des Denkens dar, die dazu erwendet werden können, die Angst zu besiegen.
Peter Kingsley schreibt in seinem philosophischen Werk „in dhe Dark Places of Wisdom“ über die geheimen Pythagoreischen Meditationstechniken. Er sagt, „Das ist der wirkliche Grund für das Praktizieren der Stille bei der sensorischen Deprivation. Es war eine Methode um so nahe wie möglich an die göttliche Welt heran zu kommen.“ „Die Stille selbst war etwas, das den Göttern und Helden selbst gehörte“.
Damit ist Perseus, der das Selbst repräsentiert, das über seine Angst hinauswachsen muss, voll ausgestattet um die Medusa überwältigen zu können. Er verwendet die Götter oder das höhere Bewusstsein . Er ist ein Teil davon und sie waren ein Teil des Potential seines Selbst.
Wenn Perseus seine Angst überwunden hat, hat er sich in seiner Evolution auf eine neue Stufe bewegt. Das wird durch die beiden Brüder symbolisiert, die aus dem toten Körper der Medusa entspringen: Pegasus, das geflügelte Pferd und Chrysaor, ein Jüngling, der ein goldenes Schwert trägt.
Dabei sehen wir, dass das was überwunden wurde auch transformiert wurde: Pegasus und Chrysaor stehen als Symbol für die Fähigkeit aus einer höheren Perspektive heraus zu denken und mit neuem Scharfsinn zu unterscheiden.
Natürlich sind diese Mythen nicht nur deshalb tiefsinnig weil sie psychologische Weisheit enthalten sondern auch durch die klar ersichtliche Weisheit der Zeitalter. Indem wir verstehen, wie diese Mythen zu uns sprechen, können wir hinter die literarischen und kulturellen Motive blicken und die nach innen gehenden Lehrstunden, die Gnosis, die sie schon immer enthalten haben anwenden.
Sigmund Freud. On Sexuality P311.
Sigmund Freud. Medusa’s Head (Das Medusenhaupt, 1922)
http://articles.latimes.com/2004/feb/18/opinion/oe-dufresne18
The Mythic Forest, the Green Man and the Spirit of Nature: The Re-emergence he Spirit of Nature from Ancient Times into Modern Society. Gary R. Varner (P.129.)
http://www.theguardian.com/artanddesign/picture/2012/jul/25/gorgon-s-head-british-art
Foltz, Religions of the Silk Road, p. 43
Peter Kingsley. In the Dark Places of Wisdom. (P 186.)
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