Karma, weder derselbe noch ein anderer – Ein Buddha-Koan
Betrachten wir „Karma“ buddhistisch, dann gestaltet sich das alles doch etwas schwieriger und vielschichtiger, als es Lieschen Müller, Colin Goldner, Adolf Eichmann oder auch manche von Stephen Batchelors Genossen sich das in ihrem mehr oder minder schlichten Gemütern so ausdenken.
Karma, das zum Ersten, ist nichts abwegiges oder gar esoterisches. Schon gar nicht ist Karma etwas, das nur demjenigen wiederfährt, der daran „glaubt“.Karma bedeutet nichts anderes als „Handlung“.Sei dies nun körperlich oder sprachlich. Aus einem altmodischen Deutsch heraus können wir dies auch sehr treffend mit „Wirken“ übersetzen. Steckt doch in dem Wort „Wirken“ nicht nur die direkte Tat sondern auch schon die Erwartung auf eine zukünftige Aus-Wirkung, die damit erzielt wird.
Die deutsche Sprache ist, so gesehen, viel „buddhistischer“ als mancher glaubt, siehe die in Teilen dieses „Karmaartikels“ genannten Sprichwörter.Aber zurück zum Thema.
Auch geistig kann sich Handlung oder Wirken, also Karma zeigen und Aus-Wirkung haben. Was allerdings noch vielschichtiger als die physische Komponente von Körper und Sprache ist.
Eine vollzogenen Handlung, die Aus-Wirkung hat, setzt eine gewisse Ursache, die zusammen mit anderen Bedingungen und vorangegangenen Handlungen neue Auswirkungen haben. Wobei die Handlung selbst (auf grober Ebene) in heilsames, unheilsames oder neutrales Wirken unterteilt werden.
Ob nun eine Handlung heilsam, unheilsam oder neutral ist hängt wiederrum von der Motivation oder den gefühlsmäßigen Umständen ab. Denken wir nur an Gier, Hass und Unwissenheit.Darüber hinaus ist Karma ganz maßgeblich abhängig von der Stärke der Selbstbezogenheit, die im Moment des Wirkens zum Zuge kommt. Um es kurz zu machen:
Jede von einer selbstbezogenen Motivation begleiteten Handlung hat garantiert eine Auswirkung, die von einem selbstbezogenen Bewusstsein erfahren wird. So einfach ist das.
Und nicht mehr und nicht weniger sagt die buddhistische Sichtweise von Karma aus. Das hat nichts mit einem „kosmischen Gesetz“, „kosmischen Bestimmung“ oder gar „energetischen Zielsetzung“ zu tun.Solange ein Wesen selbstbezogen handelt wird es karmische Impulse setzen, die wieder in einem selbstbezogenen Erleben in Erfahrung münden. Solange „Karma“ geschieht wird ein Wesen Erfahrungen machen. Angenehme, unangenehme und neutrale.
Ganz grob sind dies die Erfahrungen von Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Das ist nichts anderes als die Erste Edle Wahrheit, die der Buddha darlegte in seiner ersten Lehrrede.
Und genau hier findet sich auch der Grund, warum der Buddha von „Befreiung“ sprach.Er sprach nicht von Glück oder angenehmen Wellnessgefühlen. Er sprach davon, nicht nur Leiden vollständig zu beenden, sondern jedes Erleben einer selbstbezogenen Erfahrung. Und er sprach davon, dass dieser Weg nicht einfach ist, schon gar nicht einfach zu verstehen. Was sich ja eindrücklich bestätigt in den verwirrten Thesen, die Möchtegernbuddhisten, Batcheloristen und Esoteriker so von sich geben.
Daher sagte der Buddha auch eindeutig, dass über Karma nachzudenken kein erstrebenswertes Unterfangen darstellt. Zu komplex und unübersichtlich das Ganze, als dass ein unerleuchtetes Wesen dieses durchschauen könne. Von da aus trifft es vollständig und richtig zu, wenn im buddhistischen Kontext kein großer Wert darauf gelegt wird darüber zu diskutieren, ob jemand wiedergeboren wird oder was man in früheren oder späteren Leben sein mag. So bringen es zum Beispiel die Zennis gerne auf den Punkt.
Das heißt aber nicht, dass der Gedanke der Wiedergeburt vom Buddha oder von Buddhisten per se abgelehnt wird. Der unerleuchtete Probant weiß es schlichtweg nicht. Ein darüber nachdenken wäre reine Spekulation, führt nicht zur Befreiung.
Dennoch sprach der Buddha natürlich über „Karma“. Er musste es ja, um zu verdeutlichen, wie wichtig es ist, unheilsame Handlungen, insbesondere eine selbstbezogene Haltung zu vermindern und zu vermeiden.
Der Buddha sprach jedoch nicht nur einmal sondern immer wieder darüber, die Möglichkeit einer anderen Geburt zumindest in Betracht zu ziehen. „Heilsame Alternative“ nannte er diesen Vertrauensvorschuss in das Wissen eines Buddha. Denn der Gedanke einer „Befreiung“ oder an „heilsame Handlungen“ verliert ohne zumindest einmal theoretischen Bezug auf mögliche weitere Leben jede Bedeutung.
Tatsächlich kann man einmal provozierend die Frage stellen, warum sich ein Mensch, der ein vollständiges Beenden jedes Bewusstseinsimpulses nach dem materiellen Sterben des Körpers postuliert nicht gleich hinter einen Zug schmeißt oder in Whiskey ersäuft. Denn, mit Verlaub, mit einem solchen Denken ist alles sinnlos. Nihilismus nennt der Buddha selbst eine solche Einstellung. Diese wurde von ihm auch als ein Irrweg bezeichnet. Aber weiter zum Thema „Karma“.
Vor allem sagte der Buddha über das Erleben von Karma selbst etwas vordergründig sehr Verwirrendes: Dass es nicht derselbe aber auch nicht ein anderer ist, der die Auswirkung von heilsamen oder unheilsamen Handlungen erfährt. Genau diese Aussage lässt nun einige Leute, die sich nur oberflächlich mit „Buddhismus“ beschäftigen, arg ins Schleudern kommen. Was es damit auf sich hat, mit diesem immer noch relativen, aber absolut schwierigen Gedanken, einem Koan gleich, dazu kommen wir als nächstes.
Ende Teil II
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