Diesmal bin ich an zwei Sätzen in einem ihrer Texte hängen geblieben, „Es ist ein wenig so, als ob du versuchst, einem Toten die Brille zu putzen. Er wird dann keineswegs besser sehen können.“ Zur Vollständigkeit möchte ich gernen ihren ganzen Text mit euch teilen. Sie schrieb zum Thema
Heilsame Schwingung
Oft braucht es einfach nur einen kleinen Schubs, einen Impuls, damit die Dinge wieder in Bewegung kommen oder besser gesagt in Schwingung. Denn in die Kraft zu kommen und nicht mehr im Stillstand zu verharren ist wohl zuerst eine Frage der heilsamen Schwingung. Wie oft hast du dir schon gesagt: ich weiß, ich sollte. Aber es hat nicht gereicht, um zu erstarken, zu wollen, zu glühen. Ohne Schwingung kein Schwung. Dir vorzunehmen, dass du demnächst dies tun oder jenes lassen wirst, wird wieder einmal erlahmen wie ein abgesoffener Motor.
Wie erreicht man diesen einen Moment, der so ist, als ob ein Schalter umgelegt würde? Der dich ins Handeln bringt? Wie schon oft und oft gesagt: man kann nicht wollen wollen. Du weißt, du solltest abnehmen. Oder aufhören zu saufen. Du weißt, du solltest den Job kündigen, weil er dir nicht guttut. Du weißt, dass diese Beziehung das reine Gift ist, die dir die Lebensfreude nimmt. Die Liste der kraftlosen Situationen ist lang. Du weißt, du weißt das alles. Aber du tust nicht. Warum nicht? Du kannst nicht.
Was dir fehlt, ist die heilsame Schwingung. Was soll das sein? Wo kommt die her? Wie kriegst du sie?
Zuallererst durch Kapitulation. Damit meine ich, dass du vor dir selber zugibst, dass du die Sache schon lange nicht mehr im Griff hast. Ja, dass alle Anstrengung, sie im Griff zu halten, dazu führt, dass es eher schlimmer wird und ganz sicher nicht gut. Es ist ein wenig so, als ob du versuchst, einem Toten die Brille zu putzen. Er wird dann keineswegs besser sehen können. Loslassen ist keine Kunst.
Die Erschöpfung, die du danach spürst, braucht ihren Raum. Und ihre Zeit. Jetzt spürst du, dass deine Flügel erlahmt sind von diesem verzweifelten Geradeausfliegen all die Zeit. Und dann sprich. Mach den Mund auf! Sprich aus, was dich bedrückt. Und erfahre und erlebe, dass du die Dinge niemals allein bewältigst, denn du brauchst fremde Ohren, um zu sprechen. So findest du, was dir fehlt. Was dir wirklich wirklich fehlt. Von dieser Wahrnehmung aus kann die heilsame Schwingung kommen, die dich in den Zustand versetzt, den du schon so lange vermisst. Diese Fraglosigkeit, dieses Glühen, dieses tiefe Wissen um das, was jetzt getan werden will.
Angelika Aliti
Was mich anspricht ist ein ziemlich enger Zusammenhang zu einem Themenkomplex, der mich in den letzten Monaten sehr beschäftigt hat und es noch immer tut.
Wie finde ich heraus, was ich wirklich tun will
Oft schon habe ich, gerade mit „spirituellen“ Menschen darüber diskutiert, dass es für mich wichtig ist, für das was ich glaube, für mein spirituelle Ausrichtung, zu brennen. Lauheit kann ich in diesem Bereich absolut nicht nachvollziehen. Wenn dieses Brennen fehlt, fehlt auch meistens die tiefe Befriedigung, die ein passender spiritueller Weg (und dieser kann durchaus auch im magischen Bereich beheimatet sein!) mit sich bringt. Manche gewöhnen sich daran, dass halt nicht mehr da ist (vergessen dann, dass es nicht wirklich nährend ist) und andere führt es in die Sensationssucht (die leben diesen Hunger dann aus). Die durch Ritual, Gruppenenergie, Kult, magische Handlung hevorgerufenen Sensationen müssen immer mehr gesteigert werden um kurzfristig Befriedigung erlangen zu können.
Daran erinnerte mich das Putzen der Totenbrille, wie das Angelika so schön formuliert hat, an dem ich besonders hängen geblieben bin, und das den Schluss meiner Gedanken bilden soll.
Worauf kommt es mir an bei meiner Spiritualität? Ohne das zu wissen, wird es schwierig, meinen Weg auch sinnvoll anzulegen oder überhaupt einen Weg zu verfolgen. Warum genau hat das eine Ritual für mich hingehauen und das andere nicht? Wieso war dieses Jahreskreisfest zum Vergessen und das andere unvergesslich schön? Was brauche ich wirklich?
Damit meine ich jetzt nicht das warme Wetter, damit es einem am Lagerfeuer nicht den Hintern abfriert oder die zwei drei Leute, die halt besonders gut trommeln können. Auch nicht dass ich den oder die beim Jahreskreisfest mal wiedergesehen habe oder jemand, der mir nicht unter die Nase geht, diesmal nicht dabei war. Das wären für mich die Nebengeräusche, die zwar durchaus auch hörbar sind, aber nicht die Musik ausmachen …
Da wäre ich dann wieder bei Angelikas Fragen zur heilsamen Schwingung. „Was soll das sein? Wo kommt die her? Wie kriegst du sie?“ und bei ihrer Erwähnung der Kapitulation.
Mir zuerst einzugestehen, ganz ohne Wertung , dass es eben Rituale gibt, die passen und solche die das nicht tun, ist mein erster Schritt.
Der zweite wäre, dass ich heraus finde, warum das so ist und zwar so analytisch wie irgend möglich (ohne auf meine persönlichen Wunden dabei Rücksicht zu nehmen). Als Beispiel: es mag schon stimmen, dass der Zigarettenrauch vom Mitritualisten bei der Vorbesprechung am Lagerfeuer nervt – aber was ist es das wirklich stört?? Raucht das Lagerfeuer nicht, wo ist der Unterschied? Warum stelle ich mich nirgends anders hin? Wie spreche ich es an? Warum spreche ich nicht an, dass es mich stört? Was erwarte ich mir von den anderen? Etc pp. Natürlich gibt es da durchaus Punkte, bei denen ich an meinen ganz persönlichen Bugs ankomme und das ist nicht gemütlich. Aber es ist ehrlich und auch sehr sinnvoll im Sinne von persönlicher Weiterentwicklung.
Dritter Schritt ist mir die Frage zu stellen: „Was (auch die völlig illusorischen Dinge!!) brauche ich wirklich?“ Gleich gefolgt von der Auseinandersetzung mit dem Ergebnis. Was davon ist echt? Was davon ist tatsächlich von anderen Menschen leistbar und warum meine ich, dass die oder der dafür zuständig wäre? Dabei wird sich schon so einiges klären ...
Mein vierter Schritt ist, meiner Außenwelt mitzuteilen, was meine Recherchen so ergeben haben. Das stellt (in unserem Beispiel) die eigenen Vorstellungen von "Besprechung am Lagerfeuer" in einen realen Rahmen – sofern mensch sich in einer Umgebung befindet, die überhaupt dazu bereit ist, sich solchen Anforderungen zu stellen!! Das ist zwar zu hoffen, aber ich setze das nicht bei jedermensch voraus und damit habe ich schon den ersten Hinweis, ob ich mich überhaupt für das was ich vorhabe in für mich sinnvoller Gesellschaft befinde.
Ab jetzt kann ich zumindestens schon mal feststellen, was genau hinderlich ist und jetzt geht es darum, dieses Wissen auch umzusetzen.
Einem Toten die Brille putzen
Diesem Punkt möchte ich, wie angekündigt, zum Schluss noch ein paar Worte widmen, weil er für mich mit diesem „Tun“ verbunden ist. Mein Lieblinssager war bisher: „Die Wände neu tapezieren, aber das Dach hat noch immer das alte Loch“.
Gerade im Bereich Spiritualität hängt viel an unserer eigenen Wahrnehmung (noch mehr als in allen anderen Bereichen, die 1:1 von anderen ebenfalls beobachtet werden könnten).
Natürlich kann ich mich mit vielen Dingen (dem Herstellen von magischem Werkzeug, dem Schreiben von Ritualen, dem Entwerfen von „Zaubern“, dem Vorbereiten von Gruppenritualen, etc.) beschäftigen und tatsächlich schwer beschäftigt sein. Sobald das allerdings zum Selbstzweck wird – dem Toten die Brille putzen – dann schaut das vielleicht schön aus, führt zu Lob von außen, aber verschafft eine völlig andere Art von Zufriedenheit als diejenige, die durch gelebte Spiritualität möglich wäre/ist. Ein Toter sieht nunmal auch bei bestgeputzer Brille nix mehr, egal wieviel Zeit ich damit verbringe und er würde das auch selber nicht machen (in meinem Fall hier wäre dann der Tote meine Spiritualität).
Wenn der innere Kontakt (nackt in der Wüste aus dem Bus geschubbst, wie ein Bekannter einmal sagte) nicht vorhanden oder nicht befriedigend ist, dann bleibt das Ritual, meine Handlung leer und irgendwann kann das vor sich selber nicht mehr geleugnet werden. Das ist zwar auch eine Erfahrung aber für mich eine, die einmal gemacht durachaus ausreichend ist.
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